TEXT: JON CARRINGTON & OSKAR LJUNG
FOTOS: EVELINA SVANTESSON
DIE JEANS IM WANDEL DER ZEITEN
Jeans oder Denim, wie das Material auch genannt wird, stammt aus der französischen Stadt Nîmes. Ausländische Kaufleute stießen Anfang des 19. Jhs. auf den Stoff und waren sehr beeindruckt von seinen Eigenschaften. Die strapazierfähige Textilie wurde Serge de Nîmes (Seide aus Nîmes) genannt. Mit der Zeit entwickelte sich der Stoff zu dem Denimmaterial, wie wir es heute kennen. Woher die Bezeichnung „Jeans“ stammt, lässt sich dagegen nicht ganz so sicher sagen: Es herrscht jedoch allgemein die Auffassung, dass damit ursprünglich eine Baumwollhose gemeint war, die von Matrosen aus Genua getragen wurde und einer Jeans sehr ähnlich war. Diese Seeleute wurden nach ihrer Heimatstadt Genes genannt. Man glaubt, dass sich hieraus mit der Zeit die Bezeichnung Jeans entwickelt hat. Die Unterscheidung zwischen Jeans und Denim ist eigentlich ganz einfach: Jeans bezieht sich auf das Kleidungsstück, während Denim das Material bezeichnet.
Wenn man über Jeans und Denim spricht, muss früher oder später der Name des ganz großen Jeans-Pioniers fallen: Levi Strauss. Der Name Strauss ist zum Synonym für Denim geworden. Levi Strauss setzte den Stoff für die Hosen ein, die auf die harte Arbeit von Goldgräbern ausgelegt waren. Zunächst wurden die Hosen jedoch nicht aus Jeansstoff, sondern aus Hanf hergestellt, was äußerst unbequem war. Mit der Zeit stieß Strauss auf Denim und begann, die Stoffqualität für seine Hosen einzusetzen. Der verbesserte Komfort und die hohe Strapazierfähigkeit wurden begeistert aufgenommen.
Seit Levi‘s erster 501-Hose von 1890 (die sich an Goldgräber auf der Suche nach dem großen Glück richtete) ist viel passiert. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden Jeans nahezu ausschließlich im amerikanischen Westen getragen. Hier wurden sie romantisiert und zum Synonym für Cowboys, die sowohl ein Symbol für den starken, unabhängigen Amerikaner als auch für die Arbeiterklasse waren.
Dass die Jeans allmählich nicht mehr nur den Cowboys am Lagerfeuer vorbehalten war, liegt vor allem daran, dass amerikanische Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg die blaue Ikone häufig in zivilen Zusammenhängen trugen und das Kleidungsstück damit stärker in den Alltag brachten. Der Zweite Weltkrieg trug auch zur Verbreitung der Jeans außerhalb der USA bei, indem Soldaten, die in Europa und Japan stationiert waren, die in zivilen Zusammenhängen Jeans als Symbol für ihr Heimatland trugen. 1953 trug Marlon Brando im Film „Der Wilde“ Jeans, zwei Jahre später folgte ihm James Dean im Film „…denn sie wissen nicht, was sie tun“. Durch diese beiden Filme wurde die Jeans zum Symbol für den Rebellen. Brando und Dean trugen auch jenseits der Leinwand Jeans, wodurch sich die Kulthose noch schneller verbreitete. Beide Schauspieler standen für heimkehrende Soldaten, die sich gegen die Normen auflehnten. Anstatt ein Eigenheim zu kaufen und eine Familie zu gründen wie der brave Durchschnittsamerikaner, bretterten sie in ihren rebellischen Filmrollen auf Motorrädern über den Highway. Mit der Zeit wurden Jeans in den Schulen in den Vereinigten Staaten sogar verboten, wodurch das rebellische Flair, das sie umwehte, nur noch stärker wurde.
In den 1960er-Jahren begann auch die amerikanische Mittelschicht, Jeans zu tragen, um ihre Solidarität mit der Arbeiterklasse zu bekunden, die von Rassendiskriminierung und Einberufungen in die Armee am stärksten betroffen war. Dass die Jeans ein ganzes Jahrhundert überlebt hat, hatte vor allem zweierlei Gründe: Zum einen hat die Jeans Menschen über soziale Klassen hinweg verbunden, zum anderen konnten sich alle die Kulthose leisten, die immer gut aussieht, egal, ob sie neu ist oder Verschleißspuren aufweist.
In den 1970er-Jahren eroberte sich die Jeans schließlich einen festen Platz in der Mode und in neuen Trends. Ende der 1980er- und Anfang der 1990er Jahre entstanden die ersten echten „Designer-Jeans“, die sogar auf den Laufstegen Einzug hielten.
DIE KONSTRUKTION VON JEANS
Jeans und ihre Qualität werden in der Regel an zwei verschiedenen Eigenschaften gemessen: Konstruktion und Material. Die Konstruktion ist bei allen Jeans ziemlich ähnlich: In der Regel bestehen sie aus 21 Teilen, die durch rund 36 Nahtelemente zusammengesetzt sind.
Durch gestraffte Herstellungsprozesse und die Entwicklung von Hightech-Nähmaschinen ist es häufig jedoch schwierig, Jeansqualitäten zu unterscheiden. Nicht selten macht sich der Unterschied erst nach mehrfachem Waschen bemerkbar.
Es gibt aber eine ganze Reihe von Kriterien, nach denen sich beurteilen lässt, ob Jeans qualitativ hochwertig sind oder nicht. Die Qualität verrät sich etwa in den Verstärkungen, die die Jeans aufweist: Beispielsweise können Gürtelschlaufen, Gesäßtaschen oder der Hosenschlitz mit einer kürzeren Naht oder einer höheren Stichdichte (28 bis 42 Stiche pro Zoll) verstärkt sein.
Diese Art von Nähten wird häufig an Stellen verwendet, die höheren Belastungen ausgesetzt sind. Sie sorgen dafür, dass die Hose länger hält. Ein gemeinsames Kennzeichen hochwertiger Jeans ist auch, dass sie oben an der Gesäßtasche verstärkt oder genietet sind. Es gibt jedoch auch Marken, die auf Nieten an Gesäßtaschen bewusst verzichten. Denn Nieten können Sitzflächen wie Sättel oder – für viele ein wichtiger Aspekt – Autositze beschädigen. Um Verschleiß vorzubeugen, setzte Levi‘s bereits 1873 Kupfernieten für seine Arbeitshosen ein. Einige der ersten 501-Modell sind mit einer Niete im Schritt ausgestattet, um die Haltbarkeit zu erhöhen. Diese Niete verschwand dann um das Jahr 1941. Der Legende nach, weil es an empfindlichen Stellen bei Cowboys zu Brandmalen gekommen war. Denn Kupfer leitet Wärme, da kann es beim breitbeinigen Sitzen am Lagerfeuer auch mal zu heiß werden...
WAS IST DENIM?
Denim ist die Bezeichnung des Baumwollstoffes, aus dem u. a. Jeans hergestellt sind. Technisch gesprochen entsteht der Stoff durch Köperbindung, d. h. einem Gewebe mit diagonal verlaufendem Grat. Der Stoff wird mit blauem Kettfaden und weißem Schussfaden gewebt, hierdurch entsteht die charakteristische blauweiße Optik.
DER STOFF, AUS DER DIE JEANS GEMACHT IST
Allen Jeans ist gemeinsam, dass sie in sogenannter Köperbindung gewebt werden. Charakteristisch für diese Webtechnik ist die besondere Bindung mit schräg verlaufendem Grat. Dass der Stoff gewebt ist, heißt, dass er aus Garn besteht, das aus zwei Richtungen in einer Webmaschine verflochten wird. Dabei werden ein Kett- und Schussfaden in verschiedenen Varianten angehoben oder abgesenkt (beim einfachsten Gewebe verlaufen die Kettfäden abwechselnd angehoben und abgesenkt), sodass der Schussfaden horizontal zwischen den Kettfäden eingeschoben und fixiert wird, wenn die Fäden über- und untereinandergelegt werden. Bei Denimstoff ist der Kettfaden farbig, während der Schussfaden meist weiß ist. Hierdurch erhält der Stoff u. a. seine charakteristische diagonale Optik. Außerdem trägt die oben beschriebene Konstruktion der Köperbindung maßgeblich zum schräg verlaufenden Muster von Denim bei.
Das ikonische Blau von Denimstoff beruht ursprünglich auf einer Färbung mit Indigo, einem natürlichen Farbpigment aus Indien, das billig und leicht zu verarbeiten war. Im 20. Jh. wurde Indigo jedoch weitgehend durch synthetische Alternativen ersetzt, die preislich noch günstiger und noch leichter zu verarbeiten sind. In den letzten 15-20 Jahren werden in Jeans immer häufiger Stretchmaterialien eingesetzt. Hierbei wird dem Stoff mit einem geringen Anteil an elastischen Fasern (meist 1-2 %) eine dehnbarere, weichere Haptik verliehen.
Die Eingeweihten des Jeanskultes sprechen häufig vom Stoffgewicht, das in Unzen (Ounces, oz) gemessen wird. Dies bezieht sich auf die Dichte eines Stoffes, d. h., wie viel Garn auf eine bestimmte Fläche kommt. Die Einheit oz (die geläufigste) gibt an, wie viele Unzen ein Stoff auf der Fläche von einem Square Yard wiegt (eine Unze entspricht ca. 28,35 g). Um dies in ein Verhältnis zu setzen: Stoffe zwischen 8 und 9 oz gelten als leichte Stoffe, die sich gut für wärmere Temperaturen eignen. Die meisten der heute hergestellten Jeans bestehen aus einem Stoff mit einem Gewicht zwischen 11 und 13 oz. Vor allem einige japanische Webereien stellen jedoch Jeans aus einem Denimgewebe her, das mehr als 25 oz wiegt. Diese Hosen sind so grob, dass sie problemlos von selbst aufrecht stehen können.
Eine Frage, die bei Jeans häufig gestellt wird, ist, ob sie aus Selvage-Denim hergestellt sind. Selvage-Denim wird auf Webmaschinen hergestellt, die einfacher sind als die heute in der Textilindustrie gängigen. Im Gegensatz zu einer modernen Projektilwebmaschine, die breite Stoffstücke weben kann, wird Selvage-Denim auf alten Webmaschinen gewebt, die deutlich schmaler sind (ca. 21 bis 32 Zoll). Der Name Selvage kommt daher, dass diese alten Webmaschinen die Webkante selbst weben (Self-edge). Bei moderneren Webmaschinen wird der Stoff an den Kanten abgeschnitten und im Nachhinein fertiggestellt. Der Vorteil der Webkante besteht darin, dass der Stoff nicht ausfranst. Der Produktionsprozess ist jedoch wesentlich zeitaufwendiger, und der Stoff wird weniger gleichmäßig. Die meisten Schützenwebmaschinen gibt es heute in Japan, nachdem die amerikanischen Jeanshersteller in den 1950er-Jahren auf moderne Projektilwebmaschinen umgestiegen sind, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. In den 1980er-Jahren wurde in Japan verstärkt auf die Herstellung von Denim auf Schützenwebmaschinen gesetzt. Denn die andersartige Struktur, die der Stoff hierbei erhält, und die edle Weise zu altern haben ihren ganz besonderen Reiz. Heutzutage ist Selvage-Denim vor allem an der Webkante an den Innenseiten der Hosenbeine zu erkennen (die Webkante, die beim Weben auf einer Schützenwebmaschine entsteht).
WASCHUNGEN UND VEREDELUNGEN VON JEANS
Abhängig von der Fertigungstechnik und von anderen Faktoren dauert die eigentliche Herstellung einer Jeans ungefähr neuneinhalb Minuten. Verschiedene Nachbehandlungen können dagegen sehr zeitaufwendig sein und dazu führen, dass es bis zu fünf Tage dauert, bis die Jeans völlig fertiggestellt ist. Häufig geht es um verschiedene Arten von Waschungen und Oberflächenbehandlungen von Jeans.
Eine Jeans, die im Herstellungsprozess nur gewaschen oder gespült wurde, wird oft als „Rinsed“ bezeichnet. Diese Waschung dient dazu, die Stärke aus dem Stoff zu entfernen, sodass die Hose weicher wird. Stärke wird im Webvorgang eingesetzt, um das Garn haltbarer zu machen. Im fertigen Produkt ist sie dann nicht mehr notwendig. Eine andere Waschung, die häufig eingesetzt wird, ist die Steinwaschung (Stone Wash). Hierbei wird die fertige Jeans mit Bimssteinen zusammen gewaschen, wodurch sie den charakteristischen „Used Look“ erhält, edel verschlissen und matt.
Völlig ungewaschene Jeans tragen häufig die Bezeichnung „Raw“ oder „Dry“. Hierdurch sind sie unbehandelt und wesentlich steifer als gewaschene Varianten. Diese Hosen können anfangs unbequem sein und haben die Tendenz abzufärben. Das kann sich besonders an Sitzflächen oder Unterwäsche bemerkbar machen. Trotzdem werden ungewaschene Jeans von vielen bevorzugt, da sie die Jeans selbst eintragen und ihr ganz persönliche Gebrauchsspuren verleihen können.
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