Handwerk und Tradition muss sich nicht nur auf Mode und Fashion beziehen. Wir hatten die Ehre mit Christian F. Puglisi, dem Sternekoch mit italienischen und nordischen Wurzeln, in einem exklusiven Interview über die kulinarische Kultur Italiens zu philosophieren.
Text: Sebastian Frank
Fotos: DANIEL STJERNE
Veröffentlicht
7.5.2022
Allen Liebhaber kulinarischer Kostbarkeiten ist der Name Christian F. Puglisi sicherlich ein Begriff und bedarf keiner genaueren Präsentation. Für alle Neulinge auf dem Gebiet - der erfolgreiche Koch begann seine Karriere im Copenhagen Hospitality College und arbeitete später im berühmten Drei-Sterne-Restaurant El Bulli in Katalonien, dem Drei-Sterne-Restaurant in Taillevent in Paris und dem Drei-Sterne-Restaurant Noma in Kopenhagen. Sein eigenes Konzept setzt er im
Relæ für das er mit einem Guide Michelin-Stern ausgezeichnet wurde um und brachte sich damit auf die Liste der
Worlds 50 Best Restaurants. Das Restaurant schloss, zusammen mit
Manfreds im Jahr 2020 nach 10 Jahren für immer seine Pforten. Doch die Gäste können ganz beruhigt sein. Christian betreibt auch heute mehrere Restaurants. Wir hatte die einmalige Möglichkeit ihn in seinem Restaurant
Bæst, in der Guldbergsgade 29 in Kopenhagen zu einem exklusiven Gespräch zu treffen.
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie Koch werden wollten?
- Das Interesse an der Zubereitung von Speisen hatte ich schon von klein an und mir war früh bewusst, dass ich auch später einmal damit arbeiten wollte. Im Alter von rund 16 Jahren arbeitete ich im
Hotel Phoenix in Kopenhagen. In den ruhigeren Monaten der Wintersaison habe ich mich gern in der Küche des Restaurants aufgehalten. Ein Tag blieb mir besonders in Erinnerung. Ich beobachtete einen der Köche beim Pilze schneiden. Er legte dabei ein rasantes Tempo an den Tag, was mich unglaublich beeindruckte. In diesem Moment wurde mir ganz deutlich klar, dass ich auch Koch werden wollte.
Sie sind in Messina, Italien, zur Welt gekommen. Welche kulinarischen Erinnerungen nehmen Sie aus Ihrer Kindheit und Jugend mit?
- Im Alter von rund acht Jahren, wanderte meine Familie nach Dänemark aus. Ich kann jedoch viele kulinarische Erinnerungen mit der italienischen Küche verbinden. Da wir jeden Sommer nach Messina reisten sind Tomaten, Passata und die italienische Küche im Allgemeinen ein selbstverständlicher Teil meiner Jugend. Wenn ich im Sommer nach Sizilien zurückkehre, verwöhnt mich meine Tante ganz traditionell mit gefüllten Auberginen. Die Auberginen werden halbiert, ausgehöhlt, mit Tomaten, Schinken, Parmesan und ein wenig Semmelbrösel gefüllt. Danach wird die andere Hälfte der Aubergine geschält, wieder daraufgesetzt, anschließend in Tomatensauce gekocht und mit Kartoffeln serviert. Das ist das absolute Lieblingsgericht meiner Kindheit.
Wurden Sie in Ihrer kulinarischen Tätigkeit von der Kindheit beeinflusst?
- Absolut. Am Anfang meiner Karriere als Koch war ich sehr interessiert an den technischen Aspekten der Zubereitung. Welche Temperaturen sind am optimalsten, welche Konsistenz ist am besten, was macht eine Speise perfekt? Erst später fügte ich die kulturellen Elemente meiner Herkunft hinzu. Ich bin der Meinung, dass Gerichte mehr sind als nur ein kulinarisches Erlebnis. Aus soziologischer und kultureller Perspektive gesehen, gehört die Nahrungsaufnahme zu den Dingen, die wir mit allen Menschen teilen. Überall auf der Welt wird gekocht und gegessen. Meine Art der Essenszubereitung wurde jedoch definitiv von meiner italienischen Abstammung beeinflusst.
Was darf nie in Ihrem Kühlschrank fehlen?
- Im Moment ist es Kefir. In den vergangenen vier bis fünf Jahren habe ich mich besonders für Rohmilch interessiert und versucht diese Zutat in die Speisekarte meiner Restaurants und auch in die Gerichte zu Hause zu integrieren. Rohmilch ist eine ganz spezielle Ingredienz und wird von manchen als eher kontrovers angesehen. Ich fermentiere die Rohmilch für die Weiterverarbeitung zu Käse. In letzter Zeit habe ich zu Hause Rohmilch veredelt und für die Zubereitung von Speisen und als Getränk verwendet. Das ist einfacher als man vielleicht denkt und nicht nur unglaublich gut, sondern auch gesund.
Welches ist das gewöhnlichste Gericht bei Ihnen zu Hause?
- Im Laufe der letzten Jahre bin ich besonders meinem Interesse an der Jagd gefolgt, was dazu führte, dass sich meine Tiefkühltruhe mit immer mehr Wildfleisch gefüllt hat und daher zu meinem populärsten Gericht zu Hause wurde, das ich ausgiebig variieren konnte.
Erzählen Sie uns mehr über Bæst.
- Bæst ist ein Restaurant, das sich an der italienischen Essenskultur orientiert, aber nicht unbedingt zu den klassischen Italienern zählt. In der Zubereitung werden so viele lokale Rohwaren wie es nur möglich ist, verwendet. Wir stellen eigenen Käse aus Rohmilch her, sowie eigenen Mozzarella, Burrata und vieles mehr. Auf Importe wollen wir so gut es geht verzichten. Unser Fokus liegt auf italienischer Tradition, man kann sagen, Baest ist eine Art Hommage an die italienische Küchenkunst. Als ich im Jahr 2010
Relæ und
Manfreds eröffnete, war ich bei der Speisenzubereitung besonders auf meine persönliche Ausdrucksweise bedacht. Heute besinne ich mich immer mehr auf meine ursprünglichen Wurzeln.
Fiel es Ihnen schwer das Relæ zu schließen?
- Eigentlich nicht. Das Restaurant lief 10 Jahre erfolgreich. Für mich war es an der Zeit sich weiterzuentwickeln, neue Wege einzuschlagen und mehr Fokus auf das
Bæst und
Mirabelle zu legen
. Mit der Zeit wurde mir klar, dass weniger mehr ist, das gilt auch für die Restaurantwelt. Die frei gewordenen Stunden kann ich jetzt für andere Dinge nutzen.
Verraten Sie uns mehr über die Farm of Ideas?
- Im Jahr 2016 gründeten wir die Farm of Ideas, die generell hochwertige Rohwaren an Restaurants liefern sollte. Heute versorgt die Farm nur das
Bæst und
Mirabelle. Wir bewirtschaften zwei Hektar Land, auf dem wir uns auf den Anbau von hochqualitativem Gemüse spezialisiert haben. Für mich bietet die Farm die Möglichkeit, den kompletten Prozess besser nachvollziehen zu können und tieferes Wissen über meine Rohwaren zu erlangen.
Welches Verhältnis haben Sie zu Mode?
- Wie auch beim Essen achte ich in erster Linie auf Qualität. Meinen Stil halte ich eher simpel und ich würde mich jetzt auch nicht zu den Shopping-Freaks zählen. Was ich jedoch schätze ist Niveau. Lieber darf etwas mehr kosten, dafür muss es aber auch länger halten. Ich versuche beispielsweise haltbare Produkte aus organischem Material zu bevorzugen. Meinen Stil würde ich als klassisch zeitlos bezeichnen. Ein Beispiel sind meine vier Paar
Red Wing-Schuhe von denen ich wirklich begeistert bin. Diese Schuhe sind für die Ewigkeit geschaffen.
Wie denken Sie, dass die Zukunft der Restaurantbranche aussieht?
- Ich befürchte, dass die Konkurrenz noch härter sein wird als zuvor. Jetzt wo sich die Aufregung um Covid-19 erst mal gelegt hat, denke ich, dass Qualität eine noch größere Rolle spielen wird als bisher und mehr Aufopferungen erforderlich sein werden, um erfolgreich in der Restaurantbranche tätig sein zu können.